Paradies (2014)

Uraufführung

24. Juni bis 21. August 2014

 

Stück + Regie: Livia Anne Richard

Musik: Christian Brantschen

 

Es herrscht Harmonie im Paradies. Man grüsst sich freundlich unter den Schrebergärtlern, lobt des anderen grünen Daumen, radebrecht in allen möglichen Sprachen und kommt sich, wenn auch zögerlich, gegenseitig entgegen, was die Multifunktion des neuen Gemeinschaftsgrills - Spanferkel für die Serben, Lamm für die Türken ohne das Ferkel zu berühren, Cervelat und Pouletflügeli für die Schweizer - anbetrifft. Schliesslich geht es ja um das friedliche Miteinander, um Integration, um Toleranz, um gelebte Nächstenliebe. Man hat und gibt sich willigst Mühe damit. Als dann jedoch plötzlich Einer auftaucht, der hier gar nichts verloren hat, und – noch mehr Ungemach! - Schildkröte Gerda verschwindet, ist dann aber gut mit Toleranz.

 

 

Es war im Herbst 2012, als Livia Anne Richard sich zufällig Mano Khalils preisgekrönten Dokumentarfilm «Unser Garten Eden – Geschichten aus dem Schrebergarten» – anschaute und sofort spürte: «aus diesem Stoff muss ich Theater machen». Sie kontaktierte Khalil, es kam zu einem inspirierten und inspirierenden Treffen, Mano Khalil war einverstanden. Aber jetzt wie machen? Schliesslich ist Mano Khalils Film ein wunderbar einfühlsames Portrait über die verschiedenen Bewohner des Schrebergartens Bottigenmoos, aber eine Geschichte, wie es ein Theaterstück braucht, mit aufgebauter Dramaturgie, mit rotem Faden, mit Haupt- und Nebengeschichten und –Figuren, und – spezifisch im Freilichttheater auch wichtig - mit Massenszenen, ist in einem Dokfilm naturgemäss nicht vorhanden. Und so heisst die Unterbetitelung des Stücks «Paradies» denn nun auch «frei nach Mano Khalils Film», und nicht etwa basierend auf. Denn frei musste Richard in ihren Überlegungen werden. Sie nahm sich aus dem Film das unübertreffliche «Gstüürm» rund um den Gemeinschaftsgrill – die Serben wollen darauf ihr traditionelles Spanferkel drehen und zwar am Stück, die Muslime wollen ihr Lamm braten und zwar so, dass es mit dem Schweinefleisch nicht in Berührung kommt und die Schweizer, ja die Schweizer, die fragen besorgt, wo wohl ihr Grillfleisch noch ein Plätzchen fände. Richard saugte die Ambiente eines Schrebergartens, die im Film so wunderbar transportiert wird, auf, besuchte selber diverse Schrebergärten und fing dann an, eine «grosse» Hauptgeschichte und viele kleine Nebengeschichten zu erfinden. Was sie wusste, ist: die scheinbare Idylle, die vielgepriesene Harmonie muss gestört werden. Gerade, wenn man aus dem Lachen ob den multikulturellen Diskussionen, ob den sprachtechnischen Missverständnissen rund um mentalitätsgesteuerte kulinarische Vorlieben fast nicht mehr heraus kommt, erscheint da plötzlich jemand: ein Störefried. Einer, der politisiert und polarisiert. Eine Persona non grata. Wer spielt den Judas und begeht den Verrat? Wer wirft den ersten Stein? Und was ist, wenn «Eine von uns“ diese Persona non grata auch noch liebt? Was ist da zu tun oder zu lassen? 

 

Musikalisch live begleitet wurde die Uraufführung von Patent Ochsner Akkordeonist Christian Brantschen.